Vergabe des Eduard-Breuninger-Preises 2014

Schüler helfen Menschen mit Behinderung

Auf Probleme von Menschen mit Behinderung aufmerksam machen,  Kontakte zu behinderten Mitmenschen aufnehmen, etwas gemeinsam bewegen, Hilfe leisten und Lebensfreude vermitteln: Zielsetzungen dreier Projektgruppen aus verschiedenen Schulklassen der kaufmännischen Schule, die so nicht im Lehrplan stehen. An der Eduard-Breuninger-Schule wurde nunmehr im fünften Jahr der gleichnamige Preis für soziales Engagement verliehen.  In beeindruckender Weise zeigten die Schüler erneut, dass ihnen gesellschaftliches Engagement sehr wichtig ist und dieses das Fundament unseres gesellschaftlichen Miteinanders sein muss. Es galt unter dem Motto „Schüler helfen Menschen“ für und mit gehandicapten Menschen aktiv zu sein.

Der Preis, den die Eduard-Breuninger GmbH in Höhe von 1750 Euro auslobt, bekommt zum größten Anteil üblicherweise die Klasse, welche nach Ansicht einer Jury über Monate hinweg am besten ihr Projekt geplant, vollzogen und präsentiert hat. Eine große Herausforderung für die Schüler, die  -wohlbemerkt  neben dem Unterrichtsalltag - ihre Vorhaben umzusetzen hatten. Dies gelang so überzeugend, dass sie es den sieben Jurymitgliedern sehr schwer machten. Das Gremium, in dem die Preisstifter mit zwei Stimmen, die Schulleitung mit Herbert Nonnenmacher und Eberhard Bauer, die Eltern- und die Schülervertretung sowie mit der Lehrerin Ingeborg Heisch auch die Organisatorin des Wettbewerbs vertreten ist, zeigte sich sehr beeindruckt von den Leistungen der Jugendlichen. Die Repräsentantinnen der Firma aus Stuttgart, Karin Wehrle und Vanessa Karcher, betonten, dass sehr unterschiedliche Facetten des mitunter schwierigen Alltags behinderter  Menschen beleuchtet und verschiedene Ziele seitens der Schülerteams angegangen und erreicht wurden.

 

  Bild 1: Die Jury

 

Bild 2: Frau Heisch, ein unbekannter Bär, Frau Wehrle und Frau Karcher

 
„Wir hoffen auf die Probleme behinderter Menschen aufmerksam machen zu können! Es sind ganz normale Menschen, wie wir auch!“. Dies ist nur eine Zielsetzung der 11/4 des Wirtschaftsgymnasiums, die sie zusammen mit dem Freien Radio in Stuttgart bewältigen wollte. Die Elftklässler, nun besser bekannt  unter dem Namen „Radioactive“ (dem vielsagenden Titel ihrer Aktion), verbanden in fünf Einzelgruppen gleich zwei Projekte miteinander. Ihr Projekt mit dem Radiosender mündete in eine Sendereihe, in der körperlich aber auch sozial benachteiligten Menschen eine Stimme gegeben wurde. So konnte den Hörern vermittelt werden, mit welchen Problemen und Hindernissen der Alltag für Behinderte gepflastert ist und welche Chancen sie im Berufsleben haben. Untermalt mit eigens komponierten Jingles und befähigt im Umgang mit der Studiotechnik, moderierten sie mit Rap-Einlagen ihre Sendetage. Die einzelnen Redaktionsgruppen recherchierten und interviewten was die Zeit hergab. So besuchten sie bereits vor Weihnachten die Grundschule in Maubach, um dort den Schulalltag im Rahmen der Inklusion zu erleben. Es sei gut zu erkennen gewesen, „wie gesunde und gehandicapte Schüler gemeinsam Spaß haben können“. Dass der Unterrichtsalltag im Verbund mit der Inklusion viele Hürden und auch Probleme bereiten kann, zeigte sich neben den Unterrichtseindrücken auch in Interviews mit den Schulleitern des Berufsschulzentrums. An der  Eduard-Breuninger-Schule wurde bereits ein sehbehinderter Schüler erfolgreich zum Abitur geführt. Auch an der gewerblichen Schule existiert eine Inklusionsklasse.
Eine zweite Gruppe besuchte einen Freund aus Realschulzeiten, der an Infantiler Zerebralparese leidet und im Schulalltag an einer Sprachschule in Esslingen mit bleibenden Bewegungs- und Haltungsstörungen zurechtkommen muss. Der alltägliche Kampf mit drängenden Menschenmengen, Treppen oder hohen Abätzen fordert Mitmenschen im Rollstuhl sehr viel ab. Die Schule, an der man zum Sprachkorrespondenten oder Dolmetscher ausgebildet wird, besitzt einen Aufzug und nur wenige Etagen. Wie er in den Unterricht und in die Klassengemeinschaft integriert ist, wollten die Schüler in ihrem Beitrag aufzeigen. Sie fänden es toll, „ wenn mehr Leute den Hilfebedürftigen ihre Hilfe anbieten würden und jeden akzeptieren könnten, wie er ist.“ Trotz aller Probleme, die ihr Freund habe, sei er ein „lebenslustiger, offener und freundlicher Mensch, den wir für seine positive Einstellung sehr bewundern“, resümierten die Schüler. Auch den sozial benachteiligten Menschen, die zudem grausame und tragische Erlebnisse in ihrem Leben durchleiden mussten, wollten die Schüler eine Sendung widmen. Hierzu informierten sich beim Arbeitskreis Asyl in Stuttgart über die Wege, Asylbewerbern zu helfen, boten Zahlen und Fakten zum Thema Asyl, um Vorurteilen zu begegnen.  Interviews weiterer Gruppen mit einer Sehbehinderten, die über ihre Alltagsprobleme, zum Beispiel mit der Kleiderauswahl oder dem Mitschreiben in der Schule berichtete, sowie mit gehandicapten Mitarbeitern in einer Kaffeerösterei der Christophorus-Stiftung, zeigten den Zuhörern wohl gänzlich neue Perspektiven und Einsichten im Umgang mit behinderten in unserer Mitte.
Der Kreativität und Zielstrebigkeit der Gymnasiasten standen neun Schüler der Wirtschaftsschulklasse BFW1/1 nicht nach. In ihrer originellen Präsentation mit einem Rollenspiel konfrontierten sie das Publikum sogleich mit den abschätzigen Vorurteilen und gar Schimpfwörtern, unter denen Behinderte oftmals leiden müssen. In drei Aufgabenbereichen, dem Werken, im Unterrichten und im Sport, galt es für sie, körperlich und geistig behinderte Kinder der Bodelschwingh-Schule in Murrhardt  kennenzulernen und mit ihnen zu arbeiten. Nach Vorgesprächen mit dem Schulleiter organisierten sie drei Nachmittage, die auch für sie gänzlich Neues und Interessantes bereithielten. Ihrer Idee standen zunächst Berührungsängste und Hemmungen im Weg, die sich allerdings sehr schnell verflüchtigten. „Wie können wir den Erwartungen der Schüler und Mitarbeiter der Schule gerecht werden? Wollen die uns überhaupt?  Gehen sie auf unsere Ideen überhaupt ein?“ – darauf galt es ihre Projektinhalte abzustimmen. So bastelten die Schüler der Bodelschwingh-Schule mit ihren „neuen Mitschülern“ Vogelhäuschen, schufen Filzküken, bemalten Ostereier, buken Plätzchen, verbrachten Pausenzeiten in Gesprächen miteinander. In der Sporthalle organisierten sie ein Pedalo-Rennen und Rollbrett-Slalom, Massage-Einheiten wurden gegeben. Zudem dekorierten sie an einem Samstag den Stand der Schule am Ostermarkt, verkauften gemeinsam die Produkte.  Ihr Fazit: „Aus unserem Projekt haben wir gelernt, dass es auch andere Menschen gibt, die auf ihre eigene Art und Weise leben und mit ihren Behinderungen zurechtkommen und dass sie sich sehr über Kleinigkeiten freuen können.“
Eine dritte Projektgruppe, die WG 12/4,  realisierte ihr Vorhaben mit dem Verein Sternentraum, der Kindern hilft, die unter chronischen Krankheiten oder unter Behinderungen leiden. Hierbei wurden über ein Werbeteam  Spendengelder gesammelt, auf verschiedenen Märkten in der Region über den Verein informiert, ein viel besuchter Blog ins Leben gerufen („wgsternentraum, wordpresscom.“), „Themenpakete“ für die Betroffenen gemäß ihren Wünschen gepackt. Als Höhepunkt feierten sie eine Mottoparty mit behinderten Jugendlichen und Mitarbeitern des Vereins (die BKZ berichtete am 18. März darüber).
Allesamt faszinierend geplante, selbstorganisierte Sozialprojekte, die  - so die Meinung der Jury – keinen Verlierer verdient haben. Salomonisch deshalb auch die Entscheidung: alle drei Projekte erhalten jeweils ein Drittel des ausgelobten Preises, dazu spendet der Förderverein der Schule noch 50 Euro. Mit jeweils 600 Euro können die Klassen nunmehr z. B. ihre Abschlussfahrten finanzieren. Doch wichtiger als das Geld mag so manche Erkenntnis sein, die durch die Projekte gewonnen werden konnte. Vielleicht kann man es nicht besser ausdrücken als die Wirtschaftsschüler in ihrem Schlusswort:“ Wir haben doch alle, ob nun behindert oder nicht, die gleichen Wünsche und manchmal auch den gleichen Unfug im Kopf!“
  
   Bild 3: Die Preisträger

 

Bernd Haller